Die neue Gasdruckregelanlage ist ein Schandfleck auf dem denkmalgeschützten Müggelheimer Dorfanger und ein Schlag ins Gesicht der dort engagierten Bürger. In 28 Einzelfragen haken wir nach, wie es dazu kommen konnte.

Die Anfrage vom 27.08.2020 wurde am 12.11.2020 in der BVV schriftlich beantwortet:

Frage 1:
Welche Bedeutung hat der Denkmalschutz in Treptow-Köpenick für das Bezirksamt?

Antwort:
Der Bewahrung des baulichen Erbes für die nachfolgenden Generationen wird ein sehr hoher Stellenwert zuerkannt, nicht zuletzt, da der gebauten Umwelt und der jeweiligen damit verbundenen
Geschichte ein wichtiges Identifikationspotential innewohnt, welches ein wichtiger Standortfaktor ist und damit der Denkmalschutz auch einen positiven wirtschaftlichen Faktor für den Bezirk darstellt.

Frage 2:
Welche Bedeutung hat der Müggelheimer Anger als Denkmal?

Antwort:
Das Denkmalensemble Angerdorf Müggelheim ist eine aus einem 1747 gegründeten friderizianischen Kolonistendorf entstandene Siedlung, die im Dorfgrundriss und in der Bebauungsstruktur wesentliche Elemente ihrer ursprünglichen Gestalt bewahrt hat. Die für eine Kolonie ungewöhnliche Anordnung um einen hier trapezförmigen Dorfanger ist auf die Ansiedlung einer geschlossenen Gruppe pfälzischer Glaubensflüchtlinge aus dem Bauernstand zurückzuführen, die mit eigenem Vermögen einwanderten und pro Gehöft 3 Hufen Ackerland erhielten. Der barocke städtebauliche Entwurf, der der Siedlung zugrunde liegt, ist auch heute nachvollziehbar: Je fünf Gehöfte sind entlang einer der vier Seiten des Trapezes als Gruppe zwischen der Durchgangsstraße und zu den landwirtschaftlichen Flächen führenden Nebenwegen angeordnet. Die Grenze des Kolonistendorfes ist anhand der hinteren Grenze der Hofgrundstücke gut ablesbar. Die Gehöftgruppen verhalten sich spiegelbildlich zueinander, die Wege dienen als Symmetrieachsen. Besonders gut ist dies anhand der Gebäudeanordnung auf den Grundstücken Alt Müggelheim 11– 15 nachzuvollziehen. Die im Entwurf vorgesehene Kirche und das Schulgebäude wurden auf dem der Dorfgemeinschaft gehörenden Anger angesiedelt, beide Bauten sind nachträglich zum ursprünglichen Baubestand hinzugefügt. Der heutige Gebäudebestand entspricht einer den Bauten der Gründungszeit nachfolgenden Bebauungsgeneration des ausgehenden 19. Jahrhunderts,
als die Wohnhäuser, Scheunen und Ställe nach Dorfbränden modernisiert, bzw. durch Neubauten ersetzt wurden. Müggelheim hat jedoch das Aussehen eines Bauerndorfes bewahrt, da die landwirtschaftlichen Gebäude weiterhin das Ortsbild beherrschen. Geschäfte und Werkstätten wurden als einfache Ergänzungsbauten additiv errichtet.

Frage 3:
Was tut das Bezirksamt, um den Müggelheimer Anger als Denkmal zu pflegen?

Antwort:
Für die Pflege und Instandhaltung der Grundstücke und Gebäude sind die jeweiligen Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigte verantwortlich. Durch die Beratung und Genehmigungspraxis wirkt die Untere Denkmalschutzbehörde auf den Erhalt und die Instandhaltung der Dorfanlage gemäß Denkmalschutzgesetz Berlin hin.

 

Frage 4:
Welche Bedeutung hat der Heimatverein Müggelheim für die Denkmalpflege des Müggelheimer Angers?

Antwort:
Der Heimatverein engagiert sich für die Aufarbeitung der Geschichte in Müggelheim u. a. mit der Betreibung des Heimatmuseums und der Organisation von Ausstellungen zur Geschichte Müggelheims.

 

Frage 5:
Wann wurde der Bauantrag für den Neubau der Gasdruckregelanlage auf dem Müggelheimer Dorfanger gestellt?

Antwort:
Der Bauantrag für den Ersatzneubau einer Ortsdruckregelanlage ist am 11.02.2019 im Fachbereich Bau und Wohnungsaufsicht eingegangen.

 

Frage 6:
Wann wurde die untere Denkmalschutzbehörde erstmals mit dem Vorgang befasst?

Antwort:
Die Untere Denkmalschutzbehörde erhielt erstmals am 15.11.2018 Kenntnis von dem Vorhaben.

 

Frage 7:
Wann wurde die denkmalrechtliche Zustimmung der unteren Denkmalschutzbehörde erteilt?

Antwort:
Die denkmalrechtliche Stellungnahme erfolgte am 19.03.2019.

 

Frage 8:
Wann wurde die Baugenehmigung dafür erteilt?

Antwort:
Die Baugenehmigung wurde durch den Fachbereich Bauaufsicht im Bezirksamt Treptow-Köpenick am 30.07.2019 erteilt.

 

Frage 9:
Welche Auflagen wurden in denkmalrechtlicher Hinsicht erteilt?

Antwort:
Auflagen der denkmalrechtlichen Stellungnahme: Das äußere Farbkonzept ist entsprechend der Fotomontage (siehe Antrag) zu gestalten (Putz beige/ Metallelemente anthrazit). Ein mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abgestimmter Graffitischutz ist vorzusehen. Eventuelle Graffiti oder Schmierereien sind regelmäßig zu entfernen. Die Umlaufende Pflasterung um das Gebäude erfolgt mit Kleinpflaster, eine Bemusterung ist erforderlich. Hinweise der Unteren Denkmalschutzbehörde: In allen Phasen der Baudurchführung sind Abstimmungen mit der Denkmalschutzbehörde durchzuführen bzw. eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung einzuholen, wenn eine Baudurchführung von dem vorgelegten eingereichten Antrag abweichen sollte oder die Baumaßnahme nicht Gegenstand des Antrages war. Dieser Sachverhalt ist auch bei Veränderungen des Antrags zu berücksichtigen, die durch Forderungen anderer Behörden und Institutionen erfolgen.

 

Frage 10:
Wie viele Mitarbeiter in der unteren Denkmalschutzbehörde waren mit dem Vorgang befasst?

Antwort:
Es war eine Person mit dem Vorgang befasst, zum Zeitpunkt der Bearbeitung waren in der Unteren Denkmalschutzbehörde nur zwei Mitarbeiterinnen tätig.

 

Frage 11:
Wann und in welcher Weise wurde das Landesdenkmalamt in das Verfahren einbezogen?

Antwort:
Es fanden Abstimmungen zu diesem Bauvorhaben im persönlichen Gespräch statt. Das Einvernehmen wurde innerhalb des regelmäßig stattfindenden Jour-Fixe erteilt.

 

Frage 12:
Wann wurde der Baustadtrat erstmals über das Vorhaben informiert bzw. wann hat er davon erfahren und wie war er in das Verfahren einbezogen?

Antwort:
Die aktive Beteiligung des Bezirksstadtrates begann mit den ersten Bürgerbeschwerden.

 

Frage 13:
Wann wurde der zuständige Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen über das Vorhaben informiert bzw. warum wurde der Ausschuss nicht informiert?

Antwort:
Im Bericht des Bezirksamts im zuständigen Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauen informiert das Bezirksamt regelmäßig über eine Auswahl eingehender Bauanträge. Grundsätzlich fiele das Vorhaben unter die selbst gesetzten Kriterien der Berichterstattung. Die dem Bauantrag nächstfolgende Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung fiel aufgrund des Stromausfalls aus. In der darauffolgenden Sitzung wurde es versehentlich versäumt, über den Ersatzneubau für die bestehende Anlage zu berichten.

 

Frage 14:
Wann wurde der Bezirksdenkmalrat über das Vorhaben informiert und warum wurde er nicht bereits in der Genehmigungsphase involviert?

Antwort:
Der Bauantrag für den Ersatzneubau einer Ortsdruckregelanlage ist am 11.02.2019 im Fachbereich Bau und Wohnungsaufsicht eingegangen. Die Untere Denkmalschutzbehörde wurde im Baugenehmigungsverfahren zur geplanten Ortsdruckstation am 25.02.2019 von der Bauaufsicht zur Stellungnahme innerhalb der gesetzlichen Frist von 4 Wochen aufgefordert worden. Der Bezirksdenkmalrat tagte in dem Zeitraum nicht. An der ersten Sitzung des Bezirksdenkmalrats danach, am 22.03.2019, konnte das Bezirksamt nicht teilnehmen, da gleichzeitig Termine im Rahmen des Tages der Denkmalpflege wahrzunehmen waren. Die darauffolgende Sitzung des Bezirksdenkmalrats fand am 24.05.2019 statt. Das Bezirksamt informiert in jeder Sitzung des Bezirksdenkmalrats über größere Bauvorhaben, bei denen denkmalfachliche Belange berührt sind. Über die geplante Ortsdruckstation berichtete das Bezirksamt vor diesem Hintergrund erst nach den ersten Beschwerdeschreiben.

 

Frage 15:
Wie hat sich der Bezirksdenkmalrat nach Kenntnis des Vorhabens dazu positioniert?

Antwort:
Diese Frage ist an den Bezirksdenkmalrat zu richten.

 

Frage 16:
Welche alternativen Standorte wurden im Genehmigungsverfahren geprüft und erörtert?

Antwort:
Der Vorhabenträger hat im Genehmigungsverfahren glaubhaft gemacht, dass das vorhandene Gebäude aufgrund der aktuellen technischen Anforderungen nicht weiter verwendet werden kann. Da sich die technische Anlage im öffentlichen Straßenland befinden muss und vorzugsweise in räumlicher Nähe zum Altstandort befinden sollte, konnte kein unter den gegebenen Rahmenbedingungen realisierbarer alternativer Standort in Müggelheim und auf dem Dorfanger gefunden werden.

 

Frage 17:
Wann fanden die Abstimmungen zu alternativen Standorten mit dem Bauherrn statt und wer nahm daran vom Bezirksamt teil?

Antwort:
Am 11.08.2020 gab es ein gemeinsames Gespräch zwischen Bezirksbürgermeister Oliver Igel und Baustadtrat Rainer Hölmer von Treptow-Köpenick, der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) und dem Vorsitzenden des Müggelheimer Heimatvereins (MHV).

 

Frage 18:
Hält das Bezirksamt daran fest, dass der genehmigte Standort auf dem Müggelheimer Anger alternativlos ist? Wenn nein, warum wurde das Bauvorhaben an diesem Standort in denkmalrechtlicher Hinsicht genehmigt?

VIII/1161 Schriftliche Beantwortung vom: 17.08.2020 Seite: 4/5
Antwort:
Der genehmigte Standort wurde im Vorfeld zwischen der NBB, der Denkmalschutzbehörde sowie dem Straßen- und Grünflächenamt des BA Treptow-Köpenick abgestimmt. Durch die Anforderungen, dass sich (1.) die Anlage auf öffentlichem Grund befinden muss, und (2.) die Leitungen bereits auf dem Dorfanger vorhanden sind, da hier bereits eine entsprechende Einrichtung steht, wäre ein gänzlich anderer Standort mit erheblichem Kostenaufwand verbunden gewesen. Vor diesem Hintergrund wurden denkmalfachliche Belange zurückgestellt und entschieden, den Dorfanger als Standort beizubehalten. Das bisherige Gebäude auf dem Dorfanger ist jedoch zu klein und aufgrund der Baukonstruktion (Holzbalkendecke) nicht mehr zulässig. Der Standort der bisherigen Anlage ist eng mit Bäumen umstanden. Um die sich aus der größeren Grundfläche des Neubaus und der Bautätigkeit an sich ergebenden Beeinträchtigungen für den Baumbestand möglichst gering zu halten, wurde die Abwägung zugunsten des neuen Standorts vorgenommen.

 

Frage 19:
Hält das Bezirksamt daran fest, dass der Neubau der Gasdruckregelanlage sich von der äußeren Gestaltung in das Denkmalensemble Müggelheimer Anger einfügt?

Antwort:
Es handelt sich um einen für die Gasversorgung erforderlichen Nutzbau, aus diesem Grund wurde nach Diskussion der Standortalternativen und Darlegung der Erfordernisse durch den Vorhabenträger durch die Untere Denkmalschutzbehörde die Abwägung getroffen, bestehende denkmalfachliche Belange zurückzustellen.

 

Frage 20:
Wurden alternative Gestaltungen, z. B. andere Dachformen, historisierende Bemalung usw. geprüft? Wenn nein, warum nicht?

Antwort:
Durch ein Steildach würde das Gebäude höher und dominanter in der Wirkung. Eine „historisierende Bemalung“, was immer darunter zu verstehen ist, ist kein Ziel von Denkmalschutz und Denkmalpflege.

 

Frage 21:
Wie hoch sind die Baukosten der Gasdruckregelanlage?

Antwort:
Die Baukosten belaufen sich auf ca. 500.000 €. Dies beinhaltet u. a. Kostenpunkte zu den technischen Anlagen und zur Baukonstruktion selbst.

 

Frage 22:
Warum wurden nach Beginn der Bauarbeiten auf dem Müggelheimer Anger und der öffentlichen Kritik neuerliche Überlegungen über einen Alternativstandort vorgenommen?

Antwort:
In der Pressemitteilung vom 08.07.2020 heißt es: „Das Bezirksamt begrüßt, dass die Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) ihre Bereitschaft erklärt hat, nochmals grundsätzlich über einen anderen Standort für eine Gasdruckstation zur Versorgung Müggelheims nachzudenken und dazu ein Gespräch mit dem Bezirksbürgermeister und dem Bezirksstadtrat für Bauen, Stadtentwicklung und öffentliche Ordnung zu führen. Sollte sich ein entsprechend geeigneter Standort, möglicherweise auch gänzlich außerhalb des Ortskerns von Müggelheim finden, bestünde zumindest mittelfristig die Möglichkeit, das gewohnte Ortsbild wiederherzustellen.“

 

Frage 23:
Welche Gespräche hat das Bezirksamt dazu mit dem Bauherrn/Betreiber geführt und wie ist das Ergebnis dieser Gespräche?

Antwort:
Wie bereits bei Frage 13 mitgeteilt, gab es am 11.08.2020 ein gemeinsames Gespräch zwischen Bezirksbürgermeister Oliver Igel und Baustadtrat Rainer Hölmer von Treptow-Köpenick, der
Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) und dem Vorsitzenden des Müggelheimer Heimatvereins (MHV). Die NBB war mit ihrem Vorsitzenden der Geschäftsführung, ihrem Leiter Planung und Bau sowie ihrem Pressesprecher bei dem Abstimmungstermin vertreten. Die NBB hat eine grundsätzliche Bereitschaft bekundet, die Gasdruckregelanlage zu verlagern, soweit die in Anfrage kommenden Standorte geeignet sind, eine Verlagerung technisch (sinnvoll) machbar und wirtschaftlich darstellbar ist. Es wurde vereinbart, eine mögliche Verlagerung an drei Standorte auf ihre entsprechende Eignung zeitnah zu prüfen:

– die Buswendeschleife am Gosener Damm
– die Ecke Müggelheimer Damm / Müggellandstraße
– den „alten“ Standort auf dem Dorfanger nach Rückbau des nicht mehr nutzbaren Betandsgebäudes.

 

Frage 24:
Wie hoch sind die geschätzten Kosten einer Umsetzung der Anlage an einen anderen Standort?

Antwort:
Nach fernmündlicher Auskunft der NBB liegen die geschätzten Kosten bei ca. 250 – 500 T€.

 

Frage 25:
Wer würde die Kosten einer Umsetzung tragen?

Antwort:
Die Kosten für eine Umsetzung wären durch den Vorhabenträger zu finanzieren.

 

Frage 26:
Wie wurde der Heimatverein Müggelheim in das Neubauvorhaben einbezogen bzw. warum wurde er nicht einbezogen?

Antwort:
Das Bezirksamt ist nicht Vorhabenträger der Baumaßnahme. Es stellt lediglich im Rahmen einer Sondererlaubnis gem. §12 BerlStrG den öffentlichen Grund für die Errichtung der Anlage bereit. Die Zuständigkeit für die Information der Anrainer und des Müggelheimer Heimatvereins wird von hier nicht gesehen und kommt dem Vorhabenträger zu.

 

Frage 27:
Wann wurde die erforderliche Sondernutzungserlaubnis für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche erteilt?

Antwort:
Die Sondernutzungserlaubnis für den Bau der neuen Gasdruckregelanlage wurde am 06.03.2020 erteilt.

 

Frage 28:
Welche Schlüsse zieht das Bezirksamt aus dem Vorgang für die zukünftige Arbeit und den Umgang mit Denkmälern im Bezirk?

Antwort:
Eine zeit- und bürgernahe Genehmigungs- und Dokumentationspraxis zu allen relevanten Vorhaben durchführen zu können, wäre auch aus der Sicht der Unteren Denkmalschutzbehörde wünschenswert. Dazu ist jedoch insgesamt eine bessere Ausstattung der Unteren Denkmalschutzbehörde notwendig. Durch die in den letzten Jahren gerade im Bezirk Treptow-Köpenick sehr stark angestiegene Zahl der Bauanträge, der denkmalrechtlichen Genehmigungsverfahren, der politischen Anfragen und der Bürgeranfragen muss regelmäßig die Abwägung vorgenommen werden, wieviel Zeit auf welches Vorhaben verwendet werden kann. Die Folgen der jahrelangen personellen und finanziellen Minderausstattung der Unteren Denkmalschutzbehörde werden noch über Jahre hinweg spürbar sein.

 

 

Link zur Anfrage:

Große Anfrage – Gasdruckregelanlage auf dem Müggelheimer Dorfanger-AfD 2_Version_vom_17_09_2020